Vor allem durch die Zuwanderung aus den muslimisch geprägten Ländern, leben mittelweile mehr als 4,5 Mio. Muslime in Deutschland. Das entspricht ca. 5,5 % der Bevölkerung unseres Landes. Etwa 75 % Muslime in Deutschland sind sunnitischer Glaubensrichtung. Einige dieser Menschen haben, meistens in ihren Heimatländern nach muslimischen Recht geheiratet. In Falle der Scheidung bestimmt das sunnitisch-islamische Recht, dass der Ehemann für eine bestimmte Zeit einen angemessenen Unterhalt zu zahlen hat (Abendgabe). Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Frau keine Schuld der Scheidung trifft. Wie geht das deutsche Recht mit dieser praxisrelevanten Regelung um? Denn die im Ausland geschlossene Ehen werden nach Deutschem Recht geschieden, wenn die Ehepartner in Deutschland gelebt haben oder noch leben.
Was ist im konkreten Fall passiert?
Ein Deutscher libanesischer Abstammung heiratete 2005 im Libanon, wo die Eheleute zunächst zusammenlebten. Sie schlossen schriftlichen, nach sunnitischem Recht üblichen Ehevertrag. Nach diesem Vertrag verpflichtete sich der Ehemann ein Brautgeld zu zahlen. Das Brautgeld sollte aus einem Morgengeld in Form einer Abschrift des Korans und einer englischen Goldlira sowie im Fall der Scheidung einer Abendgabe in Höhe von 15.000 US-Dollar bestehen. Im Jahr 2014 beantragte die Ehefrau, beide Eheleute mittlerweile in Deutschland lebend, die Scheidung. Die Scheidung sollte nach deutschem Recht erfolgen und begehrte darüber hinaus die Zahlung der vereinbarten Abendgabe.
So beurteilte das Oberlandesgericht Hamm den Fall der Abendgabe
Der Scheidungsantrag hatte auch in zweiter Instanz Erfolg; Oberlandesgerichts Hamm, Entscheidung vom 22. April 2016 (AZ: 3 UF 262/15). Das erstinstanzliche deutsche Gericht hat sich zutreffend für zuständig erklärt, weil die Eheleute zum Zeitpunkt des Scheidungsantrags ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten. Die Ehe der Parteien wurde geschieden und der Ehemann darüber hinaus zu Recht verurteilt, die vereinbarte Abendgabe an die Ehefrau zu zahlen. Die Verurteilung zur Zahlung erfolgte obwohl der im Libanon geschlossene Ehevertrag die Zahlung der Abendgabe nur für den Fall vorsieht, dass der Mann die Scheidung beantragt.
Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die Abendgabe nach sunnitischem Recht mit den nachehelichen Unterhaltspflichten nach deutschem Recht vergleichbar sei. Da die Eheleute sowohl während der Ehe und die Ehefrau auch nach der Scheidung in Deutschland lebt, sei das deutsche Recht maßgebend, welches nachehelichen Unterhalt vorsieht.
Das Verschuldensprinzip in Deutschland
Übrigens, das Verschuldensprinzip und die daraus folgenden Fragen des Unterhalts waren bundesdeutschem Recht auch nicht fremd. Erst im Jahr 1977 erfolgte die Reform des Eherechts bei dem das Verschuldensprinzip abgeschafft wurde. Bis dato entfielen oft die Unterhaltsansprüche des „Schuldigen“ ganz. Im Gegenzug musste der „schuldige Ehegatte“ oft über seine tatsächlichen Möglichkeit Unterhalt leisten.
Fazit
Wie man in vorstehenden Fall sieht, gewinnt auch das internationale Familienrecht immer mehr an Bedeutung. Dies gilt insbesondere weil mittlerweile jede dritte Ehe in Deutschland scheitert. Gute Beratung durch einen Fachanwalt für Familienrecht bei der Gestaltung des Ehevertrages oder der Scheidungsfolgenvereinbarung kann beide Ehepartner nicht nur von emotionalen Entgleisungen schützen, sondern auch von möglicherweise verheerenden wirtschaftlichen Folgen.