„Wem gehören die Bienen?“… diese Fragestellung mutet schon fast rechtsphilosophisch an, geht man doch davon aus, dass die gemeine Biene ein Vagabundenleben fristet und genauso wie die uns umgebende Luft bar jeglicher rechtlicher Kategorisierung ist. Diese Vorstellung mag darauf beruhen, dass Bienen aufgrund ihrer Größe und ihrer schieren Menge einer Habhaftmachung nur schwer zugänglich sind. Sagt man einer Biene „Du gehörst mir!“, so wird sie in der Regel mit ihren nicht vorhandenen Schultern zucken und die Düse machen. Während man bei einem Hund oder einem Chimpansen angesichts einer solchen Aussage noch auf ein gewisses Verständnis hoffen kann, so ist man bei der Biene auf verlorenem Posten. Die Biene wird sich immer für die Freiheit entscheiden. Sie ist ein Anarchist. Sperrt man sie ein, so wird sie in den Hungerstreik treten. Hält man sie fest, so wird sie zustechen und aus lauter Verachtung tot umfallen. So sind sie… die Bienen.
Dem Leser wird klar sein, dass ein solches Verhalten nicht hinnehmbar ist. Wir leben in einem RECHTSSTAAT. Da kann nicht einfach jeder das tun, wonach ihm die Nase gewachsen ist (dem Autor ist bekannt, dass Bienen auch über keine Nase verfügen). Man darf von Bienen verlangen, dass sie dies einsehen… zumindest von Bienen, die Aristoteles, Hobbes und Monestequieu gelesen haben.
Auch der Gesetzgeber war gewillt, diesem unsozialen Freiheitsdenken der Bienen Grenzen zu setzen. Im wichtigsten privatrechtlichen Gesetzbuch, dem BGB, schuf er deshalb extra zur Bienenfrage – keine andere Tierart genießt eines solche Aufmerksamkeit – vier eigenständige Paragraphen. In diesen Paragraphen werden die Bienen mit einem Korsett in Form einer hierarchischen Struktur versehen. Sie werden mit sofortiger Wirkung in Schwarmeinheiten aufgeteilt und sogenannten Imkern unterstellt. Die Imker fungieren außerdem im formaljuristischen Sinne (vgl. § 90a S.3 BGB) als Eigentümer des jeweiligen Bienenschwarms.
So weit, so gut. Doch was passiert, wenn es zur Revolution kommt. Revolutionen haben nämlich bei Bienen seit jeher Tradition. Der Bienenschwarm pflegt im Falle einer solchen Revolution kollektiv und organisiert aus seiner Behausung in Richtung Freiheit zu fliegen. Auch für diesen Fall hat der Gesetzgeber vorgesorgt: Der Imker muss – so steht es in § 961 BGB – unverzüglich die Verfolgung des Schwarms aufnehmen. Nur wenn er dies tut, behält er sein Eigentum. Für den Imker ist es unerlässlich, auf seiner Verfolgungsjagd jedes noch so große Hindernis (Gartenzäune, Flüsse, Landesgrenzen, etc.) zu überwinden. Denn auch, wenn ihm sein Bienenschwarm unterwegs enteilt, verliert er sein Eigentum.
Glücklicherweise ist der Imker gemäß § 962 S.1 BGB berechtigt ist, zum Zwecke der Verfolgung fremde Grundstücke zu betreten. Hierin liegt ein entscheidender Vorteil gegenüber den Bienen. Diesen fehlt es insbesondere dann an den nötigen Überflugrechten, wenn im Rahmen einer Gartenparty auf dem betreffenden Grundstück Süßspeisen verzehrt werden. Überfliegen sie das Grundstück dennoch, so machen sie sich eines Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB strafbar.
Doch was passiert, wenn sich die Beinenschwärme anderer Imker der Bienenrevolution anschließen. Das BGB spricht in diesem Fall von einer „Vereinigung der Bienenschwärme“. Laut § 963 BGB werden dann beide Imker Miteigentümer des Gesamtschwarms. Voraussetzung ist jedoch, dass auch der andere Imker bis zum Zeitpunkt der Vereinigung seinen Bienenschwarm erfolgreich verfolgt hat.
Man muss sich dies in etwa so vorstellen: Man sitzt gemütlich in seinem Garten, nippt an seinem Kaltgetränk und plötzlich kommen sie… zwei Bienenschwärme… einer von links und einer von rechts. Verfolgt werden sie von ihren um Luft ringenden Imkern. Der erste springt über den linksseitigen Gartenzaun, der andere über den rechtsseitigen. Irgendwann kommen sie dann direkt vor einem zum stehen und reichen sich völlig außer Atem die Hände. Sie sind nun Miteigentümer.
Miteigentümer sind hinsichtlich des sozialen Bindungsgrades irgendwo zwischen Cousins und Brüdern anzusiedeln. Die Imker gehören somit nun mehr oder weniger zur selben Familie. Wie in vielen Familien gibt es auch zwischen den beiden Imkern nach wenigen Augenblicken Streit. Wem gehört eigentlich wie viel von dem Bienenschwarm, fragen sie sich. Eine Antwort liefert wiederum das BGB. § 963 BGB besagt, dass sich das Eigentumsverhältnis nach dem Verhältnis der jeweils von den Imkern verfolgten Gesamtbienenanzahl richtet. Mit anderen Worten: Die Imker hätten die Bienen während der Verfolgung zählen müssen.